Alltag in Finnland / Ein ganz normaler Tag

Heute nehme ich euch einen ganzen Tag lang mit. Ein Sabbatical in Finnland? Was mache ich eigentlich den ganzen Tag? Habt hier mal einen Einblick in meinen Alltag, in meiner Wahlheimatstadt Turku, im Südwesten von Finnland. Wir gehen zusammen ein Gravelbike testen, lassen uns im Outdoorgeschäft beraten und machen daraus eine kleine Feierabend-Radtour. Gibt es Verständigungsprobleme und wie wird an der Kasse bezahlt? All das habe ich hier für dich notiert.

Outdoorgeschäft
Waffen für die Jagd sind im Outdoorgeschäft erhältlich
Outdooreinkauf
Mein Einkauf, alles für den Pannukahvi

Morgens

Der Wecker klingelt um 06:30 Uhr. Im Rhythmus zu bleiben und die Zeit nicht zu verschlafen, ist mir sehr wichtig. Nur am Wochenende schlafe ich aus, es sei denn, es geht zum Angeln.

Ich stehe lieber früh auf und gehe früher ins Bett, als zu spät in den Tag zu kommen. Ein kurzer Abstecher ins Bad folgt. Heute bin ich im Schreibflow, ich setze mich sofort an den PC, öffne meine angefangene Datei im Schreibprogramm und tippe drauflos.

Ein neues Kapitel in meiner Schreibtherapie entsteht, daneben noch ein neuer Blogartikel und ich arbeite in WordPress an meiner Blogseite. Die Zeit vergeht wie im Flug und alles was ich bisher zu mir genommen habe, war ein Kaffee.

Vormittags

Ich schaue auf die Uhr und bin immer wieder erstaunt, wie schnell die Zeit vergeht, wenn man sich mit PC- oder Internetdingen befasst. Wie ausgeknockt, tauche ich tief ein, in das was ich gerade schreibe oder auf der Seite ändern möchte und vergesse dabei, alles um mich herum, sogar den Lärm der Baustelle vor der Haustür.

Nun wird es aber mal Zeit für ein kleines Frühstück, selbstgemachtes Müsli in meinem Fall, schließlich ist es gleich schon 11 Uhr.

WordPress stellt mich noch vor einige Herausforderungen, wie optimiere ich meine Seite, die Ladegeschwindigkeiten und binde Werbeblöcke ein? Es lässt mir keine Ruhe und ich recherchiere. Ich lande schließlich auf YouTube und schaue mir verschiedene Tutorials an und setzte das Gelernte sofort auf meiner Seite um. Zwischendurch esse ich eine Möhre.

Nachmittags

Nach der ganzen PC-Arbeit an einem kleinen Küchentisch, wird es Zeit, für ein bisschen Sport. Nur wenn der Körper gesund und fit ist, kann die Seele es auch sein. Mir geht es jedenfalls so. Ich lenke mich außerdem so sehr gerne von schlechten Gedanken ab. Nichts ist dann besser für mich, als das Brennen in den Muskeln zu fühlen, zu spüren, dass ich lebe und mich richtig zu quälen. Deshalb lande ich eher beim Krafttraining oder HIIT (high intensity intervall training) als beim Joggen.

Ich ziehe meine Sportklamotten an und mache ein Workout auf YouTube von Sascha Huber. Danach geht es unter die Dusche.

Nun wird es Zeit zu kochen. Die letzten Reste, die der Kühlschrank noch hergibt, werden verbraucht. Lebensmittel nicht aufzubrauchen und sie wegzuwerfen ist nie gut, aber in Finnland sind die Lebensmittel so teuer, dass du garantiert nichts wegwirfst.

Einmal in der Woche kaufe ich ein, vorher erstelle ich stets einen Essensplan für die ganze Woche. Daran muss ich mich nicht strickt halten, Tage können untereinander getauscht werden, aber ich habe so immer eine Idee, was gekocht werden kann und muss nicht jeden Tag aufs Neue überlegen, geschweige denn öfter einkaufen gehen. Falls ich dann mal überhaupt keine Lust habe zu kochen mache ich mir auch mal eine Tiefkühlpizza oder gönne mir eine Sauce von Little Lunch*, da diese zu 100% Bio und ohne künstliche Zusätze sind, viele Saucen sind sogar vegan, zucker- und glutenfrei. 

Einkaufen mochte ich nämlich noch nie. Zu essen gibt es heute Tabouleh mit Grillkäse. Fleisch esse ich weniger als 1x pro Woche, vielleicht komme ich auf ein Fleischgericht, alle zwei Wochen. Das war allerdings vor Finnland schon so. Fisch esse ich, seit ich in einer Dokumentation gesehen habe, wie er in die Ladentheke kommt, ausschließlich selbst gefangenen. Die Doku ist leider nicht mehr in der Mediathek aber hier ist ein ähnliches Video, von den Zuständen auf großen Fischtrawlern.

Hier mal ein Beispiel für meinen Wochenessensplan:

Fr.: Asiatische Gemüsepfanne mit Kokosmilch

Sa.: Wraps mit Falafel

So.: PIZZA (Sonntags ist IMMER Pizzatag)

Mo.: Chilli Sin Carne

Di.: griechische Nudeln mit Gemüse

Mi.: Kirmespilze und Baguette 

Do.: Pellkartoffeln mit Kräuterquark und Rührei

Fr.: Nudeln mit Tomatensauce

Nun wird es Zeit für uns rauszukommen, denn ich wollte noch in den Outdoorladen und mir ein Gravelbike bei Canyon ansehen. Die Geschäfte in der Stadt haben mehrheitlich nur bis 18 Uhr geöffnet, deshalb ziehen wir das Fahrradgeschäft vor, danach fahren wir zum Outdoorladen.

Canyon ist eigentlich eine Fahrradmarke aus Koblenz. Total zufällig habe ich auf einer Radtour diese Zweigstelle in Turku entdeckt. Die Hersteller Cube und Rose sind ebenfalls aus Deutschland, in Sachen Fahrradtechnik scheint es wirklich gute deutsche namenhafte Hersteller zu geben. 

Fahrräder liebte ich schon immer, Fahrradfahren zu können, war das erste Gefühl von Freiheit für mich.

Hier in Turku erwachte die Leidenschaft fürs Radfahren wieder in mir, ich steigere mich stetig von 10 Km auf bis zu 60 km Fahrradtouren. Ich quäle mich die Berge hoch, die Oberschenkel brennen aber es tut einfach gut.

Das Problem bei Canyon ist, dass sie einen reinen Onlinevertrieb haben. Deshalb würde ich gerne mal verschiedene Rahmengrößen testen, um meine Größe sicher zu wissen. Ich muss an der Ladentür klingeln und es dauert einen Moment, bis ein Mitarbeiter die Tür öffnet. Ich frage ihn, ob wir englisch sprechen können, für ihn kein Problem. Klar, wenn er für eine deutsche Firma arbeitet, wird die Kommunikation hauptsächlich in englisch sein, überlege ich später.

Ich schildere ihm mein Problem, er möchte er auf einen Rahmenrechner im Internet verweisen, bringt mir aber dann doch zwei Räder (Rahmengröße XS und S) heraus. Wow, so eine Hightechmaschine hatte ich noch nie in der Hand und es wiegt ja fast gar nichts. Meine Augen leuchten. Ganz vorsichtig und bedächtig setze ich mich auf den Sattel. XS passt mir besser, wobei mir optisch das Gravelbike von Rose (Backroad) etwas besser gefällt. Dort verlaufen die Kabel schon am Lenker in den Rahmen und die Schweißnähte sind abgeschliffen, was richtig edel aussieht.

Ich unterhalte mich noch kurz mit ihm über den reinen Onlinevertrieb, was passiert mit Rädern, die den Leuten nicht passen und zurückgeschickt werden? Er erzählt mir, dass diese Räder alle zurück ins Headquarter nach Deutschland kommen. Wow, wie aufwändig, denke ich. Ich bedanke mich auf finnisch (kiitos!) bei dem netten Mitarbeiter und fahre, über die gut ausgebauten Radewege, weiter zum Outdoorladen.

Der liegt an einer belebten Bundesstraße. Zusammen mit noch vielen anderen Geschäften, ist er in einer Mall untergebracht. Masken werden in Finnland schon lange nicht mehr getragen. Die üblichen Hinweise zum Abstand sind noch zu finden aber schon als 2020 die Coronapandemie aufkam und die Finnen einen Abstand von 1,50m einhalten sollten, scherzten sie damals selbst „was? So nah sollen wir uns kommen?“ Da ist wirklich etwas dran.

Man hat im größten Getümmel doch noch ausreichend Platz um sich herum, auch an der Kasse wird nicht gedrängelt oder hektisch geschnauft oder so was in der Art. Es ist hier alles größtenteils entspannt. Jeder macht hier sein Ding, Leben und Leben lassen.

In den USA war ich mal ein einem Outdoorladen und das war schon ein Erlebnis. Dort wo generell viel geangelt, gecampt oder gejagt wird, findet man halt automatisch eine gut sortierte Auswahl an Outdoorsachen.

Waffen erschrecken mich allerdings immer wieder. In den USA habe ich damit gerechnet, in Finnland habe ich mir vorher darüber keine Gedanken gemacht. Dennoch ist mir ein sauber geschossenes Reh vom Jäger meines Vertrauens lieber, als ein Rind aus Massentierhaltung und Massenschlachtung.

Auch dazu habe ich eine Dokumentation gesehen. Wer Fleisch isst, sollte wissen, wo es her kommt, aber auch wie das Tier dafür getötet wurde. Theoretisch sollte jeder, der Fleisch isst, dazu auch selbst in der Lage sein.

So oft überlassen wir die Drecksarbeit irgendwelchen anderen armen Menschen, weil wir von den wirklichen Bedingungen nichts wissen möchten. Na ja ich schweife ab, aber beim Anblick der Gewehre im Outdoorladen kommen mir solche Gedanken.

Hier kaufe ich jedenfalls alles ein, was ich für meinen Feuerkaffee in freier Natur benötige. Den Blogartikel dazu, hast du bestimmt schon gelesen, oder? Ich werde noch kurz von einer netten Verkäuferin beraten bezüglich der richtigen Kannengröße, ebenfalls wechselt sie sofort ins Englische als ich sie danach frage. Alles kein Problem. Da im TV englischsprachige Filme und Serien nicht synchronisiert werden und oft nur einen finnischen Untertitel anzeigen, können die meisten Finnen sehr gutes Englisch.

Der Einkauf im Outoorladen macht richtig Spaß und ich nehme noch 2 Paar Merinosocken für 20€ mit und eine Outdoormahlzeit*, die nur mit heißem Wasser aufgegossen werden muss. Vielleicht für den Rückweg auf der Fähre oder für die Nacht am See an Mittsommer? An der Kasse fragt mich der Kassierer, ob ein größerer Ausflug ansteht. Habe ich etwa so viel eingekauft? Das ging doch, oder?

Bargeld habe ich mittlerweile nicht mal mehr für den Notfall dabei. Ich habe das bargeldlose Bezahlen bereits total verinnerlicht und zücke zum Zahlen nur noch mein Smartphone und meinen Daumen (Fingerabdruck statt Passwort). Die elektronische Zahlung per Karte oder Smartphone ist in Finnland üblich und ich liebe es.

Abends

Es ist schon spät geworden aber die Sonne steht noch hoch am Himmel. Die Tage im Sommer sind lang und ich habe das Gefühl, wacher zu sein und mehr vom Tag zu haben. Ende Juni wird die Sonne gar nicht mehr untergehen. Mittsommer ist ein Feiertag in ganz Skandinavien. In Finnland wird Juhannus gefeiert, in großen oder kleinen Runden, auf jeden Fall mit Saunagängen und Lagerfeuer. Die Sonne bietet in dieser Zeit herrliche Sonnenuntergänge bevor die Sonne am Horizont kurz stehen bleibt, um danach wieder langsam aufzusteigen. Irgendwie unwirklich diese Vorstellung aber ich freue mich schon darauf. Ich habe vor diese Mittsommernacht im Auto zu verbringen an einem einsamen Parkplatz mit Blick auf einen See. Ob das klappt, wie erhofft, erfährst du in ein paar Wochen auf diesem Blog, also schau bald wieder vorbei.

Ich fahre mit dem Fahrrad jetzt noch einen kleinen Schlenker, auf Google Maps habe ich einen kleinen See entdeckt, den ich mir anschauen wollte, nicht weit von der Shoppingmall entfernt. Das werden heute wohl wieder knapp 20 km aber ich fahre heute gemütlich.

Am See angekommen entdecke ich dort sogar eine Discgolf Bahn, wie cool! Ein paar Angler stehen am Ufer. Ich setze mich kurz auf einen Felsen und schaue aufs Wasser, welches klar und still zu meinen Füßen liegt. Das Leben kann so schön sein, warum sehen und fühlen wir das nur noch so selten? Fehlt es an der Zeit, die wir uns dafür nicht mehr nehmen können? Abends einfach nochmal raus! Oder sich auch mal etwas gönnen, Leben! Als geiziger Mensch fällt mir das besonders schwer aber glücklich zu sein sollte immer überwiegen.

Ich notiere das in meinen Gedanken. Ich möchte nicht zu tief im Alltag versinken und abends nur noch für 2 „aktive“ Stunden auf der Couch versinken. Mal sehen, ob ich es umsetzen kann. Sabbatical im Alltag, wird es demnächst für mich heißen, wenn ich mein Leben in Deutschland wieder beginne.

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