Von innen

Das Erdgeschoss beherbergt Informationsstände zahlreicher Partner, wie dem Bürgerservice von Helsinki oder ein Servicepoint zu EU-Informationen.

Dies ist typisch für vorbildliche Länder im Bibliothekswesen. Auch US-amerikanische Stadtbibliotheken sind oftmals zusammen mit Volkshochschulen oder Bürgerbüros in ein kulturelles Zentrum integriert.

Eine große Bühne für verschiedenste Aufführungen steht direkt im Eingangsbereich bereit, in unmittelbarer Nähe zur sich dort befindlichen Cafeteria.

Vorbei an einigen Tischen, an denen es möglich, ist eine Partie Schach zu spielen, geht es in Richtung Servicetheke der Bibliothek und den eigentlichen Schätzen auf den nächsten beiden Etagen der Bibliothek, die per Rolltreppe zu erreichen sind.

Die erste Etage lädt ein zum Arbeiten. Es stehen Gruppenräume und Arbeitsräume bereit, die online gegen eine kleine Gebühr reserviert werden können.

Diese Räume werden z.B. von Freelancern genutzt, um einen stillen Raumen zum Arbeiten haben zu können.

Ich fühle mich sofort wohl, es herrscht durch das Holz, welches verarbeitet wurde und sich überall widerspiegelt, eine warme und muckelige Atmosphäre.

Dennoch ist die Oodi Bibliothek durch die großen Glasfassaden lichtdurchflutet und hell. Man wird automatisch eingeladen Oodi zu entdecken und auf eine Erlebnisreise zu gehen.

Regale voller Bücher suche ich hier vergeblich, stattdessen finde ich ein Pulk voller Nähmaschinen, 3-D-Druckern, ein Tonstudio, mehrere Räume, in denen musiziert und an Konsolen gespielt werden kann und noch viele andere Gerätschaften.

Egal, ob es der Traum ist, ein Instrument zu spielen, die Möglichkeit, ein angesagtes Spiel auf einer der neuesten Konsolen zu testen oder die Gelegenheit, teures Equipment zu benutzen – hier hat jeder Mensch die Möglichkeit ohne jegliche Barriere seinen eigenen Träumen, Wünschen und Zielen nachzukommen und das kostenlos!

Eben eine Ode an die Menschen, Helsinkis Einwohner*innen, die Chancengleichheit und die Bildung!

Der Großteil der ca. 100.000 gedruckten Medien steht in der zweiten Etage. Die Oodi Bibliothek ist eine der Stadtteilbibliotheken des zentralen Bibliotheksangebotes in ganz Helsinki.

Alle öffentlichen Bibliotheken zusammengefasst beherbergen ca. 3,5 Millionen Medien. Das Entleihen der Medien mit dem eigenen Bibliotheksausweis ist kostenlos. Bei verspäteter Rückgabe werden Mahngebühren fällig.

Überall gibt es kleine und große Nischen zum Schmökern, Innehalten oder um Smartphone oder Laptop in Ruhe aufzuladen.

Per Rolltreppe geht es hoch in die oberste Etage. Hier erstrecken sich zahlreiche halbhohe weiße Regale voller Bücher.

Oodis Architektur spiegelt sich hier oben am besten wieder. Glas, Holz, Ecken, Kanten und geschwungene Wellen, bei denen ich mich Frage, wie diese mit dem Werkstoff Holz dargestellt so geschwungen und weich erstellt werden konnten.

Die spitz zulaufende Ecke ist ein beliebtes Fotomotiv. Manchmal werden Gruppen, wahrscheinlich im Rahmen einer Stadtführung, durch die Bibliothek geschleust.

Zeit, Oodi richtig zu begreifen und zu fühlen, bleibt den Teilnehmenden leider nicht.

So konnte ich beobachten, wie sich alle brav zum Foto der beliebten Ecke aufreihten, noch kurz einen autonom fahrenden Roboter bestaunten und die Bibliothek danach wieder verlassen mussten, denn der nächste Punkt auf der abzuarbeitenden Agenda wartete bereits.

Zum autonom fahrenden Roboter kommen wir übrigens weiter unten.

Hier oben ist er also, der Lesehimmel. Die Dachterrasse, gemütliche Sessel, Sofas und Bänke, sowie eine kleine Cafeteria laden zum Schmökern und Verweilen ein.

Für Kinder gibt es eine Barfuß bzw. Sockenzone durch die ich unwissend aber immerhin mit meinen Barfußschuhen gelaufen bin. Wenn Finnen sich wohl- und zuhause fühlen, ziehen sie die Schuhe aus. Auch das wird in Oodi gelebt und ist erwünscht.

Die Wölbung im Boden, die die Welle wiedergibt, lädt (die Kinder) zum Runterrutschen ein, welches ausdrücklich gewollt ist. Erleben und anfassen ist gewünscht!

Es darf außerdem überall getrunken und kleine Snacks gegessen werden. Es wird nur darum gebeten, dies nicht in unmittelbarer Nähe der PCs und anderer Geräte zu tun und stark riechende Speisen nicht im öffentlichen Bereichen zu verzehren.

Die Akustik hier im obersten Bereich der Bibliothek erstaunt mich. Oodi ist gut besucht, die Regale sind nur halbhoch und dennoch höre ich oben an den hochgezogenen Stirnseiten stehend, relativ wenig.

Es beeindruckt mich, dass schier jeder Mensch sein Ding machen kann, ohne dass ihm etwas verboten wird und trotzdem werden andere Menschen dadurch nicht beeinträchtigt.

Und trotz der ca. 10.000 Besucher*innen am Tag, ein tolles Konzept!

Wie in allen öffentlichen Bibliotheken, wird am Medienbestand der Bibliothek kontinuierlich gearbeitet. Archivgut zu sammeln, ist nicht Aufgabe einer Stadtbibliothek. Wer alte verstaubte Bücher erwartet hat, wird eine moderne und offene Mediathek bestaunen können.

Da Oodi eine Teilbibliothek im gesamten städtischen Bibliotheksnetz darstellt, musste sich das bestehende Personal erst auf die neuen Stellen der Oodi Bibliothek bewerben. Die dadurch entstandenen Lücken in der Personaldecke wurden durch externe Bewerber*innen gefüllt.

Nun soll nach ein paar Jahren auch im Personalbestand rotiert werden, so dass alle Kolleg*innen die Möglichkeit haben, in Oodi arbeiten zu können.

Manchmal liest man in Internetquellen noch, dass es in der Oodi Bibliothek eine Sauna gibt. In Finnland wäre eine Sauna in der Bibliothek nichts Ungewöhnliches, gibt es doch an den verschiedensten Orten (Stadion, Einkaufszentrum) Saunas.

Tatsächlich wurde eine Saune geplant, aus Kostengründen wurde diese jedoch nie eingebaut. Das sonderbarste an Oodi könnte die Tatsache sein, dass die Bibliothek eben keine Sauna bereitstellt.

Wenn da nicht die Unisextoiletten im ersten Untergeschoss wären. Geht man am Eingang der Bibliothek links herum Richtung Bistro / Cafeteria führt eine Wendeltreppe ins Untergeschoss.

Man kommt in einen großen Raum, in dem in der Mitte verschiedene Waschbecken, in unterschiedlichen Höhen installiert sind. Außen an den Wänden entlang befinen sich Kabinen, Toiletten eben.

Die Türen sind wie aus Milchglas welches aus dem inneren der Kabine heraus angestrahlt werden. Man sieht also Schatten der Menschen, die auf den Toiletten sind.

Zugegeben ist dieser Anblick erst einmal gewöhnungsbedürftig. Geht man in eine Kabine fällt allerdings sofort auf, dass diese nach hinten länger gezogen sind, als andere bekannte Standard Kabinen. Es herrscht also doch noch Privatsphäre auf diesen fancigen Unisex-Toiletten.

Oodis Roboter

Kommen wir nun zu den autonom fahrenden Robotern. Nach meinen Recherchen gibt es seit dem Jahr 2019, 3 Roboter in der Bibliothek. Alle 3 wurden nach Heldinnen aus Kinderbüchern benannt, Tatu, Patu and Veera.

Bei meinem Besuch beobachtete ich Veera bei ihrer Arbeit, wie sie Kisten voller Bücher an die Sammelstelle in der zweiten Etage beförderte.

Kurzer Hinweis: sie kam alleine und komplett selbstständig mit dem Aufzug aus dem Erdgeschoss! Ein kurzes Video findest du auf meinem Instagram Profil.

Die Auswahl der Namen für die neuen motorisierten Kollegen durften die Oodi Mitarbeitenden tätigen und die 250 Namensvorschläge kamen mal wieder von den Bürger*innen.

Begründet wurde die Namensentscheidung wie folgt: es sind 3 Charaktere aus finnischer Literatur, dies passt schon mal sehr gut in eine finnische Bibliothek.

Die Namen sind kurz und eindeutig. Stellt man sich Sätze vor wie „Veera hat gerade den Fahrstuhl genommen und Tatu ist im Bereich der Zeitschriften unterwegs“, leuchtet diese Begründung ein.

Die autonom fahrenden Roboter unterstützen die Mitarbeitenden, indem sie Bücherkisten zwischen den Etagen befördern.

Neben den Flurrobotern ist noch ein Roboter sozusagen im Auskunftsteam der Bibliothek tätig.

Obotti ist eine App, die per KI interessante Medien vorschlägt. Vorher werden Interessensgebiete ausgewählt, auf deren Basis 6 verschiedene Bots dann z.B. Literaturvorschläge machen. Ihre KI ist interaktiv und kann von jedem trainiert werden. Gestartet wurde dieser Service im Jahr 2021.

Fazit

Der Gedanke einer offenen, kostenlosen und modernen Anlaufstelle für Bildung im Allgemeinen hat mich sehr berührt.

Die Zeiten, in denen Informationen (Buch) nur bestimmten (lesenden) Bevölkerungsgruppen zur Verfügung standen sind vorbei.

Es sollten also ebenfalls die Zeiten vorbei sein, in denen Zugang zu Bildung und Information, nur nach Bezahlung erfolgt.

Es können sich nämlich nicht alle Menschen mal eben das teure Fachbuch leisten oder 20 € Jahresgebühr für die öffentliche Stadtbibliothek.

Und warum sollte dies dann nur auf Medien wie Bücher beschränkt sein? Die Studentin, die nach ihrem Studium ein Startup gründen möchte, aber teures Equipment für die Erstellung ihrer Prototypen benötigt, sollte ebenso eine kostenlose Anlaufstelle finden können, die ihr unter die Arme greift und einen guten Start ermöglicht.

Genau hier setzt Ooodi an, mit ihrer Ode an die Menschen. Egal, mit welchen Vorlieben oder Vorgeschichten, Oodi bietet für alle die passenden Möglichkeiten.

Also, wer eine Pause von Helsinkis Großstadttrubel braucht, eine imposante Architektur bestaunen möchte und dabei eine moderne und innovative Bibliothek kennenlernen möchte, sollte sich die oodi Bibliothek in Helsinki unbedingt anschauen! Außerdem beherbergt Oodi ein Bistro im Erdgeschoss, direkt am Haupteingang und eine Cafeteria in der obersten Etage. Grund genug, hier einen kleinen Stopp einzulegen und vielleicht ein kleiner Geheimtipp, den du im Reiseführer vergeblich suchst.